Eurokrise – Kritik der Märkte und enorme Erwartungen an die Politik
24.11.2011 Die Zuspitzung der Diskussionen zur Schuldenkrise in Europa produziert fortlaufend neue Schlagzeilen. Die Verunsicherung kann an den täglich schwächeren Börsenkursen direkt abgelesen werden, nicht nur in Europa. Die Kapitalmärkte richten sich zunehmend auf eine düstere Zukunft ein. Als Ursache wird auf die unfähige Politik verwiesen. Doch irgendetwas stimmt hier nicht.
Was erwarten die Marktteilnehmer? Wer sind die Marktteilnehmer? und
Warum wird die Politik derartig gemeinschaftlich der Unfähigkeit bezichtigt?
Als die „Märkte“ wird die Summe aller Kapitalmarktteilnehmer bezeichnet. Damit sind Banken, Versicherungen, Pensionsfonds oder Investmentfonds zusammengefasst. Aber auch der private Investor ist Marktteilnehmer. Das Interesse dieser besteht darin, aus ihren jeweiligen Zielen heraus ihre Anlagebedürfnisse umzusetzen und Ineffizienzen auszunutzen.
Als die „Politik“ bezeichnet man die gesellschaftlichen Interessenvertretungen von Staaten und Staatengemeinschaften. Nun ist es so, dass die Politik die Organisation von Gesellschaft und Staat leitet und alles Interesse darauf ausrichtet, das die Gesellschaft funktioniert – jetzt und in Zukunft.
Warum stellen sich die Marktteilnehmer derartig gegen die Gesellschaftsorganisatoren?
Kann es sein dass die Marktteilnehmer mittlerweile ein idealisiertes und damit unrealistisches Bild der politischen Möglichkeiten und Fähigkeiten aufgebaut haben?
- Den Einen richtigen Lösungsweg gibt es in der entstandenen Situation nicht. Wenn die Märkte eigene Lösungsideale entwerfen und zum Maßstab erheben, entsteht eine unrealistische Erwartungshaltung gegenüber der politischen Leistungsfähigkeit. Die Anforderungen an die Politik wären völlig überzogen. Sämtliche Reaktionen der Märkte wären von einer falschen Erwartungshaltung gegenüber der Politik geprägt.
- Viele der Kritiker am derzeitigen politischen Vorgehen kommen aus den Reihen der Banken. Und dies, obwohl mittlerweile nicht wenige Banken darauf angewiesen sind, dass der Staat Ihnen unter die Arme greift. Zumindest, wenn einer der europäischen Staaten tatsächlich die Pleite vermelden müsste, wahrscheinlich bereits bei Notlage eines großen Geldinstitutes. Ein Sprichwort sagt: „beiße nicht die Hand die dich füttert.“ Das dies auch für Banken gilt, scheint nicht jedem klar zu sein. Der am Tropf hängende Patient beschwert sich fortlaufend über die Arbeit des Arztes?
Die staatliche Organisation ist eine fundamentale Stütze unserer Gesellschaft.
- Die derzeitigen Marktspekulationen sind u.a. an den täglichen sprunghaften Ausweitungen der Zinsdifferenzen der EU Staaten ablesbar. Dies führt bis hin zur Nichtakzeptanz von Staatsanleihe-Emissionen, wie kürzlich in Spanien geschehen. Das Angstlevel selbst ist mittlerweile beängstigend.
Nimmt man nun an, das ein Zusammenbruch der Eurozone oder von einzelnen Staaten mit einem Auseinanderbrechen der Grundlagen für funktionierende Märkte einhergehen würde, dann dürfte kein EU-Marktteilnehmer ein Interesse daran haben. Die Verluste und Konsequenzen bei einem Zusammenbruch der Handelszone wären dramatisch. Die Marktteilnehmer benötigen eine stabile Gesellschaft, um letztlich darauf aufbauend wirtschaften zu können.
Kehrt man zu dem Gedanken zurück, dass beide Seiten an einer Funktionsfähigkeit des Währungsraumes Euro und einer Notwendigkeit zur Zusammenarbeit der europäischen Staaten interessiert sind, dann wäre die Rückkehr zu einem Grundvertrauen in die Politik ein guter Anfang. Ebenso entstünde die Grundlage für einen Ausweg aus der derzeitigen Angstgemeinschaft. Schließlich fiele es Politikern wesentlich einfacher Lösungen zu finden, wenn die Märkte mit Ihrem Verhalten nicht fortlaufend dagegen steuern würden. Das hektische Marktverhalten forciert einerseits die Probleme und fordert währenddessen schnelle politische Lösungen. So etwas nenne ich paradox.