Seit nunmehr drei Monaten steigen die Aktienkurse wieder, auf breiter Front. In den letzten Tagen wurden charttechnische Widerstandsmarken in der Aufwärtsbewegung erreicht. Die Stärke der Börsen findet statt, obwohl sich die konjunkturellen Daten zur wirtschaftlichen Entwicklung eher eintrüben.
Bei den meisten Finanzmarktexperten herrscht Skepsis gegenüber den Kursanstiegen. Auch in den Medien herrscht eine zurückhaltende Stimmung gegenüber den steigenden Kursen.

Eurozone rappelt sich auf?

Tatsächlich ist das Fortbestehen der Eurozone in der jetzigen Form auch weiterin unklar. Zu welchem Erfolg die politische Entschlossenheit in der Eurorettung letztlich führt und wie die Eurogemeinschaft im nächsten Jahr konkret aussieht, kann keiner mit Gewissheit sagen. Deshalb bleibt ein unkalkulierbarer politischer Einfluss für die Börsen auf jeden Fall bestehen.

Jedoch wird der unbedingte politische Wille zum Erhalt des Euro und zur Stützung der Staaten untereinander, immer nachhaltiger und für die Märkte glaubwürdiger. Für Finanzexperten wird dies vor allem durch die voranschreitende Installation des Rettungsschirms ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) untermauert. Dies verschafft den Staaten und den Kapitalmärkten Luft auf zu atmen.

Einordnung des Börsentrends – ohne die politischen Hintergründe

Betrachtet man einmal nur die Kursbewegungen und blendet die politischen Hintergründe aus, so zeigt sich derzeit eine zügige, mehrwöchige Aufwärtsbewegung ohne größere Korrekturen. Ein solcher Aufwärtstrend, der in einem relativ ängstlichen und zurückhaltenden Stimmungsgemenge zu Stande kommt, wird meist von den Investoren vorangetrieben, die mittel bis langfristige Zuversicht mitbringen. Eine solche Phase in einer Aufwärtsbewegung wird allgemein als gesunde und nachhaltige Entwicklung betrachtet und stellt nicht selten ein frühes Stadium eines längeren positiven Markttrends dar.

Das Anlagekapital welches  in den Aktienmarkt strömt und für die Entstehung solcher Tendenzen verantworlich ist, stammt oftmals von antizyklischen Investoren. Antizyklische Anleger handeln gegen die vorherrschende Marktmeinung und streben eine Positionierung abseits des Herdentriebs an. Hierzu zählen historisch so bekannte Akteure wie André Kostolany oder Warren Buffet, die durch eine solche Herangehensweise hohe Gewinne und Berühmtheit erlangen konnten.

Versucht man die aktuelle Börsenphase im „Verlauf des Anlageverhaltens eines typischen Investors“ einzuordnen, dann dürften wir uns ungefähr zwischen Punkt 15 und Punkt 17 im nachfolgenden Schaubild wiederfinden:

typischer Investor Anlageverhalten - Boersenphasen

Zur Begründung unserer Einordnung möchten wir Stimmungen und Meinungen aufgreifen, die derzeit in den Medien zu finden sind:

  • Es herrscht keine überschwingliche Zuversicht zur positiven Marktentwicklung
  • die letzte Verlustphase ist in den Gedanken der Anleger noch frisch (ängstlich)
  • die Marktverhältnisse erlauben keine euphorische Zukunftsbetrachtung
  • viele Marktteilnehmer warten auf Kurskorrekturen, um günstiger einzusteigen, bisher wurde erfolglos gewartet … der Investitionsdruck steigt
  • niedrige Zinsen begünstigen den Kapitalstrom heraus aus unrentablen Bankanlagen und Anleihen, hinein in relativ günstig bewertete Aktienmärkte (besonders in Europa)

Stimmungen können natürlich schnelllebig sein

Die momentane Marktentwicklung gleicht allerdings auch der Situation zum Jahresbeginn 2012, wo eine weniger pessimistische Börsenstimmung zunächst zu flott steigenden Kursen führte. Im April kippte die Stimmung und die Kurse fielen im 2. Quartal deutlich. Mittlerweile befinden wir uns in den saisonal umsatzschwächeren Sommermonaten. Der bevorstehende September gilt allgemein als schwankungsanfälliger Börsenmonat, denn viele Marktteilnehmer kehren aus ihrem Urlaub zurück, sodass das Handelsvolumen der Börsen wieder anzieht.
Trotzdem können die Kurse, unserer Ansicht nach, noch ein gutes Stück weiter getragen werden. Denn wenn die Kurse steigen, zieht dieser Trend immer neues Kapital an, wie das Licht die Motten anzieht.

Fazit

Die hohe Attraktivität von Wertpapieren ergibt sich auch, weil Bankanlagen nur Minizins-Erträge bieten. Nach Inflations- und Steuerabzug schmelzen die dortigen Zinsen teils komplett weg und führen zu einem effektiv negativen Anlageergebnis.

Es herrscht eine recht große Skepsis gegenüber steigenden Kursen, während die Kurse gleichzeitig steigen. Eine solche Phase ist, ungeachtet der politischen Einflüsse, eher charakteristisch für ein frühes Stadium im längeren Aufwärtstrend. Prinzipiell ist es aussichtsreich in solchen Marktphasen in Wertpapieren zu investieren und investiert zu sein.
Wir würden noch immer einen Cashanteil zurückhalten und nicht voll investieren, um bei Rückschlägen (z.B. durch erneute politische Verunsicherung) für günstigere Nachkäufe handlungsfähig zu bleiben.