Wir analysieren das Marktgeschehen eng, verfolgen die Einschätzungen der Fondsgesellschaften und möchten einige Gedanken zur aktuellen Situation mitteilen. Die Ausbreitung des Covid-19 ist in Europa und den USA angekommen, die Kapitalmärkte nehmen die möglichen wirtschaftlichen Folgen ängstlich ins Visier.
Wichtig ist die Gesamtsituation zu überschauen und das Geschehen besonnen einzuordnen.
Die Ausgangslage
Vor ca. vier Wochen (Mitte Februar 2020) herrschte eine optimistische Börsenstimmung, der Gier – Angst Indikator befand sich auf dem Hochpunkt, 97% der Marktteilnehmer waren positiv gestimmt. Es herrschte ein Umfeld mit sehr guten Kursentwicklungen (siehe Ergebnisse 2019) und einem hohen Investitionsgrad der meisten Kapitalverwalter. Alle gingen von weiter steigenden Kursen aus, jeder kleine Rückgang wurde für Käufe genutzt. Viele Märkte notierten auf Allzeithoch, lediglich der hohe Optimismus und die hohe Bewertung bei Technologieaktien deuteten auf Korrekturbedarf hin.
1. Überraschungsfaktor – Covid 19
In diese „friedlich-optimistische“ Ausgangslage traf die plötzlich massive Berichterstattung zur Ausbreitung des Coronavirus. Die drastischen Maßnahmen zur Eindämmung behindern wirtschaftliche Aktivitäten erheblich und das Ausmaß ist schwer kalkulierbar. Die Börsen reagierten erschrocken, wie ein Boot das tagelang auf ruhiger See fährt und plötzlich in einen Sturm gerät. Dies löste erst Gewinnmitnahmen und dann Verkaufsdruck aus. Bei vielen Computer-Handelsprogrammen wurden automatisch so genannte Stopp-Limits ausgelöst und es kam zu weiteren Verkaufswellen. Die Käuferseite blieb hingegen ausgedünnt.
- Fazit: In kürzester Zeit kam es zu einem kompletten Stimmungsumschwung an den Kapitalmärkten. Zum heutigen 12. März sind 97% der Marktteilnehmer pessimistisch. Viel negativer kann die Risikowahrnehmung schwerlich werden. Entsprechend nervös zeigt sich das Geschehen auf dem Börsenparkett.
2. Überraschungsfaktor – Ölmarkt
Zusätzlich zum Virus kam am 8./9. März die Nachricht, dass die erdölproduzierenden Länder, aufgrund des rückläufigen Verbrauches, eigentlich eine Drosselung der Öl-Fördermenge vereinbaren wollten. Jedoch kam es zu keiner Einigung. Nachdem Russland die Drosslung ablehnte, reagierte Saudi-Arabien völlig überraschend mit einer Ausweitung der Fördermenge. Dies brachte den Ölpreis kräftig unter Druck (-30% am Montag Vormittag) und schüttete eine weitere Welle der Unsicherheit über die Märkte aus.
- Mit der neuen Situation am Ölmarkt kam urplötzlich ein zweiter erheblicher Belastungsfaktor für die Kapitalmärkte hinzu …
. - … jedoch kann dieser Faktor auch für eine Beruhigung auf wirtschaftlicher Seite herhalten (ausgenommen für die Ölbranche). Denn, niedrigere Ölpreise wirken praktisch wie eine weltweite Konjunkturhilfe. In diesem Umfang könnten keine Zentralbank und kein Wirtschaftshilfsprogramm die Unternehmen positiv beeinflussen. Der plötzlich billigere „Schmierstoff der Welt“ bringt eine sofortige Kostenentlastung für die Mehrzahl der Unternehmen. Wenn die Märkte aus ihrer Panik in den Nachdenkmodus zurückkehren, könnte dies schnell ein Grund für steigende Kurse werden.
Zur Einstufung der Lage lassen sich aus historischen Krisenphasen, sowie aus der eigenen Erfahrung einige Grundgedanken ableiten:
Historisch hinterließ eine echte wirtschaftliche Rezession an den Kapitalmärkten eine Kursbereinigung von ungefähr 33%, gemessen an den vorherigen Höchstkursen. In den letzten 17 Tagen sind die Kurse der großen Indizes in Europa und Amerika (Dow Jones, S&P500, Eurostoxx, DAX, etc.) bereits um über 25% gefallen. Laut Lehrbuch liegen damit 3/4 des eigentlichen Verlustpotentials bereits zur hinter uns.
- Jedoch ist nach aktueller Einschätzung eine echte, längerfristige Rezession keineswegs ausgemachte Sache. Die Historie zeigt zudem, wenn eine solche „unfallartige“ wirtschaftliche Schockreaktion zu Stande kam, wurde anschließend ein Aufholeffekt in Gang gesetzt.
Dadurch wurden längerfristige Effekte für die Unternehmen und für die Kapitalmärkte wieder ausgebügelt. Die Frage ist im Prinzip, wann der Virus seinen Schrecken verliert und die Märkte sich beruhigen.
. - Rezessionen wurden historisch durch hohe Inflation oder bremsende Geldpolitik ausgelöst.
Beides ist im aktuellen Umfeld nicht zutreffend.
In der Vergangenheit gab es Schweingrippe (2009), Vogelgrippe (2006) oder Sars (2003). Letztlich gingen Alle mit wesentlich glimpflicheren Verläufen aus, als anfänglich erwartet. Hoffentlich ist mit den nun viel drastischeren Maßnahmen zur Bekämpfung, eine ähnliche Eindämmung möglich.
- Optimistisch stimmen hierzu Berichte aus China, wo im Januar alles begann. So langsam scheint dort eine gewisse Normalität in die Abläufe zurückzukehren. Es gibt wieder Staus auf den Hauptstraßen und die Luftverschmutzung steigt wieder. Die Produktion in vielen Betrieben in China wird wieder hochgefahren, z.B. bestätigt Apple die Wiederaufnahme der Produktion. Nach der Phase der Vorsicht, folgt das Bestreben wieder aufzuholen. Der chinesische Aktienmarkt ist übrigens die ganze Zeit stabil geblieben.
Geldpolitik greift unterstützend ein, staatliche Konjunkturprogramme angekündigt
Die Notenbanken und viele Staaten planen Unterstützungsprogramme für die Wirtschaft. Im jüngsten G7 – Treffen wurden koordinierte Aktionen mehrerer Staaten in Aussicht gestellt.
Die US-Notenbank FED senkte die Zinsen bereits um 0,5%, um einem wirtschaftlichen Abschwung in den USA präventiv zu begegnen, weitere Zinssenkungen werden erwartet.
In jedem Fall zeigt sich, dass mit allen Mitteln und global koordiniert ein wirtschaftlicher Abschwung verhindert werden soll. Dieses Signal ist sehr positiv.
- Den Tiefpunkt einer solchen Crashartigen Bewegung der Kurse zu prognostizieren, ist nur im Nachhinein möglich. Auf jeden Fall konnte sich vor 4 Wochen niemand vorstellen, mit einem Rabatt von 20%-40% Unternehmensanteile erwerben zu können.
Auch wenn die Schwankungen je nach Situationsberichten hoch bleiben, haben sich solche Phasen, in der Betrachtung der Vergangenheit, als langfristige Gelegenheiten herausgestellt. Ist diesmal alles anders?
„Sei ängstlich wenn die Anderen gierig sind und sei gierig wenn die Anderen ängstlich sind.“
Zitat von Warren Buffet
„Ja die Pandemie findet statt, aber das wird den Lauf der Welt nicht aufhalten.
Ich habe in meinen 53 Jahren Börsenalltag vieles erlebt und immer ging es danach weiter“.
Warren Buffet, der 89 jährige Starinvestor, im Interview vom 12.03.2020
- Das Motto der Stunde lautet: Strategie statt Panik.
Bei langfristigen Anlagezeiträumen gilt es kurzfristig emotionale Reaktionen zu vermeiden.
Die Grundsituation der tiefen Zinsen bleibt weiterhin bestehen. Jetzt dürfte noch klarer sein als zuvor, dass längerfristig nicht mit Zinserhöhungen gerechnet werden darf. Vielleicht ist es sinnhaft in der jetzigen Phase seine Finanzen zu prüfen und ruhig zu überlegen, ob evtl. langfristiges Anlagekapital (länger fünf Jahre) für Investitionen in Frage kommt?
Wie alle Marktteilnehmer sind auch wir über die Heftigkeit der Marktreaktion überrascht. Die meisten gehen davon aus, dass die Welt durch diese grippeähnliche Krankheitswelle nicht „untergeht“ und anschließend zum Alltag zurückfindet.
Bleiben Sie gesund.
André Klatt, 12.03.2020